Alzheimer-Demenz - Zusammenhang Darmbakterien und Demenz

Darmbakterien und Demenz

Unter dem Begriff „Demenz“ wird eine Gruppe von Krankheitsbildern zusammengefasst, deren betroffene Personen in ihren geistigen Funktionen wie Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Auffassungsgabe oder Lernfähigkeit eingeschränkt sind. Demenz tritt bei ca. 1,5% der 65-69-Jährigen auf, wobei das Risiko einer Erkrankung mit zunehmendem Alter drastisch ansteigt. Alzheimer ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung in der alternden Bevölkerung und für ca. 60-70% der Demenzen verantwortlich.

Univ.-Prof. Dr. Friedrich Leblhuber

Univ.-Prof. Dr. Friedrich Leblhuber*

Die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter, aber auch Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, geistige Inaktivität, geringe soziale Kontakte, Rauchen, Bewegungsmangel, ungünstige Ernährung und Depressionen zählen zu den Risikofaktoren. Die Krankheit ist nach dem Arzt Alois Alzheimer benannt, der im Jahr 1906 erstmals charakteristische Veränderungen im Gehirn einer Patientin mit Demenz festgestellt hat.

Was ist Alzheimer-Demenz?

Bei Alzheimer-Demenz sterben Nervenzellen in bestimmten Gehirnabschnitten ab. Ausserdem gehen die Übertragungsstellen zwischen den Nervenzellen, die Synapsen, verloren. Jedoch brauchen wir intakte Synapsen, damit Informationen problemlos weitergeleitet und verarbeitet werden können. Für die Weiterleitung der Informationen wird ausserdem der Botenstoff Acetylcholin benötigt. Dieser wird in speziellen Nervenzellen produziert, welche bei Alzheimer-Patienten absterben. Folglich wird zu wenig Acetylcholin produziert, dadurch wird die Informationsverarbeitung gestört, und es kommt zum Gedächtnisverlust.

Das Absterben der Nervenzellen geht mit der Bildung von ungewöhnlich veränderten Proteinen einher, welche sich zwischen den Nervenzellen (Amyloid-Plaques) und innerhalb der Nervenzellen (Tau-Fibrillen) ablagern. Dabei handelt es sich um die von Alois Alzheimer 1906 erstmals beschriebenen mikroskopischen Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten.

 

Die Rolle des Darms bei Alzheimer

Darm-Hirn-Achse Zusammenhang mit MikrobiomDie genaue Ursache von Alzheimer ist noch nicht erforscht, doch häufen sich Hinweise dafür, dass die sogenannte Darm-Hirn-Achse eine zentrale Rolle spielt: Diese beiden Organe kommunizieren auf mehreren Wegen miteinander, z. B. durch direkte Nervenverbindungen, aber auch über Immunbotenstoffe, Signale des Darmmikrobioms und Darmhormone. Neue Studien belegen auch, dass das Darmmikrobiom teilweise sogar die Informationsübertragung (Neurotransmission) im zentralen Nervensystem reguliert.

Man nimmt an, dass es, ausgehend von einer altersbedingten Veränderung des Darmmikrobioms und auch von Medikamenteneinnahmen, zu einer Dysbiose, also einer gestörten Darmflora, kommt und in der Folge stille Entzündungen im Darm entstehen. Diese führen zu einer gestörten, löchrigen Darmbarriere, und so kann sich die Entzündung auf den ganzen Körper ausbreiten (stille systemische Inflammation). Es kommt schliesslich zu Entzündungen im Gehirn und dadurch zum kognitiven Abbau.

Klinische Forschung bestätigt: Wenn die Darmbarriere gestört ist (Leaky Gut), können Bakterien und deren Stoffwechselprodukte aus dem Darm in andere Teile des Körpers verlagern und schädliche Effekte hervorrufen (bakterielle Translokation). Ein Leaky Gut wird unter anderem durch die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl festgestellt, wobei erhöhte Werte auf eine gestörte Darmbarriere hinweisen. In einer klinischen Studie wurde der Stuhl von 22 Alzheimer-Patienten analysiert, wobei Calprotectin in deren Stuhl mit 73% weit über der Norm (> 50 mg/kg) lagen. Dies stützt die Hypothese, dass fäkales Calprotectin auf einen Leaky Gut hinweist, was zu unbemerkten („stillen“) systemischen Entzündungsprozessen – letztlich auch im Gehirn – führt.

Probiotika bei Demenz

Am Kepler Universitätsklinikum wurde an 55 Patienten mit kognitiven Defiziten untersucht, inwieweit ein Probiotikum einen positiven Einfluss auf entzündliche Prozesse im Körper nehmen kann.

Probiotika bei Demenz

Nach 28-tägiger Probiotikagabe konnte bei den Studienteilnehmern eine gesteigerte Aktivität des Immunsystems (gegen die Entzündungen im Körper) festgestellt werden.

Zu Beginn der Studie wurden von den Patienten Stuhl- und Blutproben genommen, um die Zusammensetzung der Darmflora sowie unterschiedliche Entzündungsparameter zu bestimmen. Dabei zeigte sich, dass die Entzündungswerte sowohl im Stuhl (gemessen am Marker S100A12) als auch im Serum (Neopterin) deutlich miteinander korrelierten, und darüber hinaus  wurde ein erhöhter Wert für CRP (C-reaktives-Protein, steigt bei Entzündungen an) ohne klinische Hinweise für eine Entzündung festgestellt. Diese Ergebnisse weisen zusammen auf eine „stille Entzündung“ als Cofaktoren in der Entstehung der Demenz hin.

Anschliessend erhielten die Teilnehmer für 28 Tage ein Probiotikum mit neun wissenschaftlich geprüften entzündungshemmenden Bakterienstämmen. Nach Abschluss der Probiotika-Einnahme wurden Stuhl und Blut erneut analysiert: Dabei zeigte sich eine signifikante Erhöhung von Neopterin und Kynurenin – beides Marker, die auf eine gesteigerte Aktivität des Immunsystems (Bekämpfung der Entzündungen) schliessen lassen.

Diese aktuelle Untersuchung gibt erste Hinweise dafür, dass Probiotika bei Alzheimer-Demenz und kognitiver Verschlechterung einen positiven Einfluss auf im Körper vorliegende Entzündungen haben können. Diese Ergebnisse gilt es in grösser angelegten Studien zu bestätigen, um die Wirksamkeit von Probiotika bei Demenz klar zu bestätigen. Darüber hinaus ist die Prävention von Demenz durch Probiotika ein zukünftiges Forschungsfeld: Möglicherweise kann durch die Stärkung des Darmmikrobioms in Zukunft die Entwicklung von Demenz verzögert oder sogar verhindert werden.

 

*Univ.-Prof. Dr. Friedrich Leblhuber ist emeritierter Leiter der Abteilung für Neurologisch-psychiatrische Gerontologie an der Landesnervenklink Wagner-Jauregg und heute niedergelassener Facharzt für Neurologie in Linz.

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