Süßstoff, Blutzucker und Darmflora

Süssstoff, Blutzucker und Darmflora

Künstliche Süssstoffe stören die Blutzucker-Regulation durch negative Effekte auf Darmbakterien

BERLIN — Kalorienfreie Süssstoffe beeinträchtigen die Aufnahme und Kontrolle des Blutzuckers, indem sie das Darmmikrobiom durcheinanderbringen, wie australische Forscher erstmals zeigen konnten. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass künstliche Süssstoffe sich möglicherweise verheerend auf die blutzuckersenkende Medikation von Patienten mit Diabetes auswirken könnten [1]. In einer Studie mit gesunden Freiwilligen, die beim 54th Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Berlin präsentiert worden ist, zeigen Dr. Richard L. Young, Leiter der Intestinal Nutrient Sensing Group an der University of Adelaide, Australien, und seine Kollegen, dass die Einnahme von Süssstoffkapseln im Vergleich zu einem Placebo das Ökosystem Darm zugunsten krankheitserregender Bakterien verändern kann.

Süssstoffe stören Darmbakterien

Süßstoff, Blutzucker und DarmfloraYoung begann seine Präsentation, indem er feststellte, dass „die meisten [Süssstoffe] erst vor kurzem Bestandteil der Nahrungskette wurden und die Zahl an Süssstoff-Produkten auf dem Markt exponentiell zunimmt.“ Er ergänzte: „Natürlich werden sie zunehmend in Richtung des gesundheitsbewussten Sektors vermarktet.“

Frühere Studien lieferten allerdings Hinweise, dass ein hoher Süssstoff-Konsum mit einer schlechteren glykämischen Kontrolle assoziiert ist und dass der HbA1c-Wert mit zunehmendem Konsum süssstoffhaltiger Getränke ansteigt.

Beim EASD-Kongress im vergangenen Jahr zeigten Young und sein Team dass Süssstoffe im Vergleich zu Placebo mit einem Anstieg der 3-O-Methyl-Glukose-Absorption um 20% und einem Anstieg der Plasmaglukoselevel um 24% verbunden sind (p <0,05 für beide) – auch dies bei gesunden Freiwilligen. Die Süssstoffe waren im Vergleich zu Placebo ausserdem mit einer Reduktion der GLP-1-Level um 34% assoziiert (p <0,05).

Und Experimente mit Mäusen hätten gezeigt, dass eine Supplementierung mit Süssstoffen zu Veränderungen des Darmmikrobioms führten, dass sich mikrobielle Kohlenhydrat-Stoffwechselwege veränderten und die Menge an kurzkettigen Fettsäuren in den Faeces zunähmen, sagte Young.

Er merkte an, dass die Mehrzahl der Humanstudien von begrenzter Dauer gewesen seien und keine davon hätte die Glukoseabsorption gemessen. Für die aktuelle Analyse randomisierten Young und sein Team 40 Probanden ohne Diabeteserkrankung auf eine Placebo- oder eine Süssstoffkapsel mit 92 mg Sucralose und 52 mg Acesulfam – das entspricht etwa der Menge in 1,2 Litern Light-Getränken am Tag.

Die Studienteilnehmer nahmen die Kapseln dreimal täglich über 2 Wochen mit einem standardisierten Abendessen. Am Ende standen für 16 Placebo-Teilnehmer und 17 Teilnehmer im Süssstoffarm vollständige Datensätze zur Auswertung zur Verfügung. Zu Studienbeginn waren die beiden Gruppen hinsichtlich Patienten- und klinischer Eigenschaften vergleichbar.

Weniger „gute“, mehr „schlechte“ Bakterien

Das Darm-Mikrobiom der Teilnehmer wurde vor und nach den 2 Studienwochen anhand von Stuhlproben analysiert. Die Arbeitsgruppe um Young wollte herausfinden, ob die Supplementation mit Süssstoffen das menschliche Darm-Mikrobiom in einer Art und Weise verändern würde, die auf glykämische Veränderungen hindeuten.

„Wir sahen eine ganze Reihe verschiedener Bakterienarten hervortreten … Im Wesentlichen war ein Verlust an gesundheitsförderlichen Bakterien zu beobachten“, erklärte er.

So nahmen z. B. die Konzentrationen an Eubacterium cylindroides ab, ebenso wie die Level an nützlichen und fermentativen Bifidobacterium-Lactobacillus- und Bacteroides-Populationen ab. Diese Spezies sind mit einer verstärkten Glukoseabsorption assoziiert (≤0,001 für alle). Darüber hinaus reduzierten sich die Butyrivibrio-Level. Von diesen Bakterien ist gezeigt worden, dass sie mit einer verlangsamten GLP-1-Freisetzung assoziiert sind (≤ 0,001).

„Im Gegensatz dazu sahen wir Zunahmen bei verschiedenen Darmpathogenen, die bei gesunden Menschen normalerweise gar nicht oder nur in geringen Mengen vorkommen“, sagte Young. Insbesondere war eine Zunahme von 11 opportunistischen Darmpathogenen zu beobachten, darunter KlebsiellaPorphyromonas und Finegoldia (p≤0,001 for all).

 „Bei gesunden, nicht-diabetischen Probanden reichte eine zweiwöchige Supplementation mit Süssstoffen aus, um die Darmbakterien durcheinander zu bringen und die Häufigkeit derer zu erhöhen, die man bei gesunden Menschen eigentlich nicht findet“, fasste das Team zusammen.

Die beobachtete Abnahme fermentativer Bakterienpopulationen und die Veränderungen von Signalwegen, die von den Bakterien zur Energiegewinnung genutzt werden „deuten darauf hin, dass sich die Fähigkeit des Körpers, den Blutzucker zu regulieren, verschlechtern könnte“, fügten sie hinzu.

Als Nächstes soll getestet werden, ob die Assoziation zwischen Süssstoffen, den Veränderungen im Darmmikrobiom und den glykämischen Veränderungen kausaler Natur sei.  Die Forscher werden zu diesem Zweck „sowohl weitere Experimente mit gesunden Probanden als auch Experimente mit Menschen mit Diabetes durchführen, da diese besonders viel Süssstoffe konsumieren“.

QUELLE: https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4907345?nlid=125590_3081&src=WNL_mdplsnews_181016_MSCPEDIT_DE&uac=294407CZ&faf=1#vp_3

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